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Mit den richtigen Wörtern mehr verkaufen

Mit den richtigen Wörtern mehr verkaufen

Wie schon angekündigt werden wir auf webkrauts.de einige ausgewählte Artikel aus älteren Ausgaben des Webstandards-Magazins veröffentlichen. Den Anfang macht Nicolai Schwarz mit einem Text über das richtige »Wording«.

»Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen dem Blitz und einem Glühwürmchen«, wusste schon Mark Twain. Ganz so schlimm ist es für Online-Shops sicher nicht. Aber die Wahl der richtigen Wörter kann zwischen Verkaufen und Nicht-Verkaufen entscheiden.

Wenn die »Wortwahl« und die »Formulierung« nicht mehr ausreichen, muss ein gutes »Wording« her. Das meint das gleiche, hört sich aber hipper und gewichtiger an. Gerne wird es in Kombination als »Corporate Wording« genutzt. Als solches steht es für den gezielten Einsatz von Sprache in der Unternehmenskommunikation, also für eine einheitliche Unternehmenssprache bzw. Sprachkultur. Das heißt, ein Unternehmen entschließt sich, bestimmte Worte zu verwenden – oder eben zu vermeiden.

Ein international agierendes Unternehmen mag zum Beispiel festlegen, eher englische Begriffe zu nutzen. Der »Geschäftsführer« macht auf internationalem Parkett als »CEO« gleich eine viel bessere Figur. Eine gewisse Einheitlichkeit ist ebenfalls sinnvoll; es wirkt zumindest irritierend, wenn ein Mitarbeiter ständig »Photovoltaik« schreibt, der nächste aber »Fotovoltaik«.

Zielführende Wortwahl

Ein gutes Wording kann mehrere Ziele haben. Es kann um Verständlichkeit gehen, um die Einheitlichkeit, im Web auch oft um Suchmaschinenoptimierung. Vielleicht geht es auch nur darum, bürokratische Konstrukte zu vermeiden. Gerade im Deutschen werden gerne viele Wörter aneinandergereiht. So stolpert der Leser in einem Artikel dann schon mal über die »Produktdetailinformationsseiten« oder darf sich in einem Vortrag über ein »Workflowoptimierungspotential« aufklären lassen. Außerdem kann es darum gehen, einen Vorgang mit der richtigen Wortwahl in eine bestimmte Ecke zu lenken oder die wirklichen Absichten zu verschleiern. Politiker machen das gerne. Was sich umgangsprachlich als »Abwrackprämie« durchgesetzt hat, heißt in der Politik offiziell »Umweltprämie« und hört sich gleich verantwortungsbewusster an.

Natürlich ist es nicht der Politik vorbehalten, mit Worten manipulieren zu wollen. Werbung macht nichts anderes. Und wer einen Online-Shop betreibt, möchte schließlich seine Ware an den Käufer bringen. Dabei können Worte ihren Teil leisten. Wie nennt man zum Beispiel eine Liste, mit der sich Besucher ihre Lieblingswaren für den späteren Kauf merken können? Einfach »Merkzettel«? Oder doch lieber »Wunschliste«? Laut der Studie »Nutzungsfreundliche Bezeichnung von Navigationselementen im Internet« von eResult aus dem Jahr 2005 bevorzugen Nutzer den Begriff »Merkzettel« gegenüber »Wunschzettel« oder »Wunschliste«. In diesem Fall würde ich als Shop-Betreiber dennoch das Wort »Wunschliste« verwenden. Denn »wünschen« ist das emotionalere Verb. Unabhängig davon, was Nutzer nun bevorzugen, sähe ich gerne eine Studie, die untersucht, ob Waren von einer »Wunschliste« eher gekauft werden als von einem »Merkzettel«.

Feel the difference

Manche Branchen neigen dazu, englische Wörter oder Phrasen zu bevorzugen. Der Online Shop von Bruno Banani bietet in seiner Hauptnavigation Fragrances, SwimWear, Shoes und Bedwear an. Und zwar sowohl in der deutschen als auch in der englischen Fassung. Mit Englisch dürfte der Großteil der Zielgruppe keine Probleme haben. Oder vielleicht doch?

Ob deutsch oder englisch: Im Bruno Banani Online Store heißen Taschen »Bags« und Gürtel »Belts«.
Ob deutsch oder englisch: Im Bruno Banani Online Store heißen Taschen »Bags« und Gürtel »Belts«

Die Firma Endmark hat sich 2003 und 2006 verschiedene englische Slogans vorgenommen und auf ihre Verständlichkeit geprüft. In beiden Studien wurden über eintausend Menschen zwischen 14 und 49 Jahren in den Städten Hamburg, Köln, Leipzig und München befragt. Zwölf aktuelle Slogans sollten übersetzt werden. In der letzten Studie schnitt Fords »Feel the difference« noch am besten ab. Die meisten übersetzten richtig »Erlebe den Unterschied«. Daneben wurden aber auch »Fühle das Differenzial« oder »Ziehe die Differenz ab« geraten. Nur 55 Prozent der Befragten haben diesen Slogan richtig verstanden. Anders gesagt: Fast die Hälfte hat den Spruch nicht so verstanden, wie Ford es beabsichtigt hat. Alle anderen Slogans schnitten schlechter ab. Centerparcs »A State of Happiness« kam zum Beispiel nur bei 13 Prozent richtig rüber, nämlich im Sinne eines Wortspiels »Ein Platz sowie ein Zustand der Glückseeligkeit«. Andere tippten auf »Ein Staat der Glücklichkeit« oder »statt happy zu sein«.

Im Zweifel hält sich ein Texter also besser an den deutschen Slogan »Weil einfach einfach einfach ist«. Und die deutsche Sprache ist für uns nun einmal einfacher. Nur weil in einer Abteilung alle Menschen mit Englisch zurecht kommen, heißt das nicht, dass auch die Zielgruppe – geschweige denn die Allgemeinheit – damit etwas anfangen kann. Bei einem Online-Shop werden viele Menschen die Wörter »Bestseller«, »Nice Price« oder »Sale« verstehen. Aber einen deutschen Begriff wie »Sonderangebote« oder »Aktionspreis« werden viel mehr Nutzer verstehen.

Das unbekannte Web

Ebenso schwer verständlich wie englische Begriffe sind Wörter aus dem Web-Jargon. Die Firma eResult hat auch im Jahr 2008 eine Wording-Studie durchgeführt, dieses Mal zum Thema »Web 2.0- und E-Commerce-Begriffe«. Die Kurzversion ist kostenlos im Netz erhältlich und zeigt, dass Nutzer mit vielen Web 2.0-Begriffen nichts anfangen können. Von 400 Teilnehmern meinten knapp 32 Prozent, dass sie sich unter dem Begriff »Web 2.0« nichts vorstellen könnten. Knapp 48 Prozent sagten, sie hätten den Begriff schon einmal gehört, wüssten aber die genaue Bedeutung nicht. Unter dem Begriff »Tagging« konnten sich 44,5 Prozent nichts vorstellen, 38,5 Prozent hatten den Begriff wenigstens schon einmal gehört. Mit der »Tagwolke« konnten gleich 86 Prozent gar nichts anfangen. Wenn sich also eine Webseite an die Allgemeinheit richtet, geht ein Satz wie »Orientieren Sie sich zur Navigation an unserer Tagwolke« geradewegs am Nutzer vorbei.

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Wer nun meint, auf seiner Website einfach auf Anglizismen zu verzichten, ist sicher auf dem richtigen Weg. Doch auch ein deutsches Wort garantiert nicht, dass Nutzer hierzulande wissen, was damit gemeint ist. Ein Link mit der Bezeichnung »Direktbestellung« sollte einfach zu verstehen sein. Die Wording-Studie von eResult kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass jeder zweite die Funktion nicht richtig zuordnen kann. Die Mehrheit entschied sich zwar für »Ich kann eine Bestellnummer aus dem Katalog eingeben«; andere tippten aber auf »Ich gehe hier direkt zum Warenkorb« oder auch »Ich kann hier den Katalog des Online-Shops bestellen«. Wenn also die Funktion nicht klar ist – und auch durch eine andere Wortwahl nicht sichergestellt werden kann – sollte der Webworker andere Maßnahmen ergreifen, um dem Nutzer die Funktion zu erklären. Bei der »Direktbestellung« verweist eResult auf die Webseite von manufactum.de, die keinen einfachen Link anbieten, sondern gleich ein kleines Formular, das die Funktion viel besser verdeutlicht.

Statt nur einen Link zu setzen, fügt manufactum.de ein kleines Formular hinzu, das die Bestellnummer abfragt und so die Funktion deutlich besser demonstriert.
Statt nur einen Link zu setzen, fügt manufactum.de ein kleines Formular hinzu, das die Bestellnummer abfragt und so die Funktion deutlich besser demonstriert.

Um im Bild zu bleiben

Bilder und Vergleiche eignen sich mitunter, um es Nutzern so einfach wie möglich zu machen. Bei Online-Shops gibt es den bekannten Einkaufswagen, den jeder aus dem realen Leben kennt. Der Besucher kann seine Produkte »in den Warenkorb legen« und damit »zur Kasse gehen«. Das ist einfach zu verstehen. Leider demontieren die meisten Shops dieses Bild früher oder später. Im wahren Leben wird ein Besucher, der es sich anders überlegt, einen Artikel zurück ins Regal legen. Im Online-Shop muss er den Artikel in der Regel »löschen« – was das Bild stört. Andernfalls wird der Artikel »entfernt«. Das ist etwas besser, aber wer sagt seinem Kind im Supermarkt: »Entfern’ doch bitte mal die Schokolade aus dem Wagen«?

Die gebräuchlicheren Wörter wären hier »zurücklegen« oder »weglegen«. Natürlich hat »zurücklegen« noch die Bedeutung, den Artikel zu reservieren, was zu Missverständnissen führen würde. Bliebe also »Artikel weglegen« für einen Online-Shop. Natürlich sind »löschen« und »entfernen« in Online-Shops mittlerweile etabliert. Trotzdem bleibt die Frage, ob nicht auch hier am Wording gefeilt werden kann.

Klar und deutlich

Amazon hat im Laufe seiner Online-Präsenz an vielen Stellen gewerkelt und gilt oft als gutes Beispiel für die Informationsarchitektur oder die Navigation. Doch auch hier lässt sich etwas verbessern. Amazon nutzt das Wort »Löschen«, um einen Artikel aus dem Warenkorb wegzulegen. Das werden die meisten Besucher vermutlich auch verstehen.

Bei Amazon ist mal von einer Merkliste die Rede, dann von einem Wunschzettel
Bei Amazon ist mal von einer Merkliste die Rede, dann von einem Wunschzettel

Im Screenshot sind in nächster Nähe »Auf die Merkliste«, »von Nicolai Schwarzs Wunschzettel« und »Geschenkpapier…« zu sehen. Ich würde es also keinem Besucher übel nehmen, wenn er das Wort »Löschen« auf eine dieser drei Optionen bezieht. Schließlich ist der Artikel, der eigentlich gelöscht werden soll, optisch weiter vom »Löschen« entfernt. Die naheliegende Lösung: Den Button erweitern zu einem »Artikel löschen«. Der Platz ist da. Bei der Gelegenheit fällt ins Auge, dass Amazon auch an anderer Stelle verwirrt. Bei einem ordentlichen Wording sorgt der Usability-Profi für einheitliche Wortwahl. An der einen Stelle von einer »Merkliste« zu sprechen, an anderer aber von einer »Wunschliste« ist unsinnig. Denn beides meint bei Amazon dieselbe Liste. Wer mit seinem Shop Geld verdienen möchte – und wer möchte das nicht – ist darauf angewiesen, dass seine Webseite benutzerfreundlich ist. Verständliche Wörter tragen ihren Teil dazu bei.

Kommentare

Chris
am 23.04.2010 - 07:24

kleiner fehler "demWarenkorb " muss wahrscheinlich auseinander geschrieben werden :-) (beim Amazon-Absatz).

Ansonsten, schöner Beitrag und sehr interessante Ausführungen. Danke.

Gruß
Chris

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domingos
am 23.04.2010 - 13:01

Das Problem dürfte darin bestehen, dass nicht mit echten Benutzern getestet wird. Am einfachsten wäre es, wenn man mit doppelten Informationen arbeitet, sowohl textlich als auch bildlich. Der Einkaufswagen, der Mülleimer und ähnliches dürften besser funktionieren als alle textlichen Beschreibungen. Am Testen mit den Usern kommt man aber nicht vorbei. Über Tracking sollten die Shops ja sehen, wie gut oder schlecht das Einkaufen funzt.

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Jenni
am 23.04.2010 - 14:28

Sehr informativer Artikel, danke!

Bei den englischen Slogans muss ich immer an das Ergebnis einer (dieser?) Studie denken, dass bei Douglas und seinem "Come in and find out" herauskam - reinkommen und wieder rausfinden... Man verfängt sich wirklich einfach in diesen Slogans, weil die Texter & Verantwortlichen gut Englisch können und gar nicht über die Nutzer nachdenken. Der beste Testmarkt ist da wohl meistens die eigene Mutter - versteht sie es bzw. kann es übersetzen ist man schon einmal auf dem richtigen Weg.

Der Gedanke mit dem "zurück ins Regal legen" gefällt mir richtig gut, da hatte ich bisher noch nie dran gedacht, dass es zum Bild des Warenkorbs eigentlich gar nicht passt - man nutzt halt "löschen" weil es jeder macht, dabei kann man vermutlich mit einer anderen Formulierung vielleicht sogar ein Lächeln aus dem Nutzer herausholen, wobei auch das natürlich zur Seite passen muss.... Das ist ja die Crux am Texte schreiben, es muss ein einheitliches Bild ergeben, da sind kreative Einfälle leider häufig nicht einzubauen.

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Susanne Gerbert
am 23.04.2010 - 15:23

Schöner Artikel, vielen Dank!
Mein Vorschlag zum Thema Warenkorb: "Aus dem Warenkorb herausnehmen". Darum geht es ja, nicht darum, den Artikel irgendwohin zu legen - in ein virtuelles Regal oder so :-)

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david
am 20.05.2010 - 07:41

Vielen Dank für diesen Beitrag. Es ist wirklich erstaunlich, was die Menschen gerade im google-Zeitalter suchen. Wenn man selbst in einer bestimmten Branche ist, so hat man für die breit gefächerte Öffentlichkeit oft keinen Blick mehr. Denn oft sucht ein Großteil der Menschen etwas total anders als derjenige, der sich in diesem Gewerbe heimisch fühlt.

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