Webkrauts Logo

Webkrauts Webkrauts Schriftzug

- für mehr Qualität im Web

Erfahrungen aus der Selbständigkeit

Erfahrungen aus der Selbständigkeit

Heute beschreibt Andreas Dantz, warum Freundschaftsdienste häufig in Katastrophen enden, wann man lieber Fachleute zu Rate zieht und warum eine getroffene Entscheidung besser als gar keine Entscheidung ist.

Gemälde: Franz von Stuck, Sisyphus, 1920

Viele Dinge liest man vor der Selbständigkeit, andere lassen sich in der freien Wildbahn beobachten, aber das Meiste lernt der unbedarfte Webschaffende dann doch auf die harte Tour.

Entscheidungen treffen

Es klingt kitschig, aber die besten Entscheidungen sind die, die getroffen sind. Jeden Tag stehen unzählige Entscheidungen vor uns, und die Wahrheit ist: Wir treffen eigentlich fast nie die absolut Perfekte. Sobald Du dich damit abgefunden hast, gehen sie schon sehr viel leichter von der Hand.

Es gilt natürlich trotzdem, die nötigen Informationen zusammenzutragen, und nicht wahllos auf sein Bauchgefühl zu hören. In den meisten Fällen sollten wir dann einfach damit leben. Natürlich gibt es Entscheidungen, die einfacher sind als andere. Wer aber zwei Tage damit verbringt, herauszufinden, ob es nicht ein Geschäftskonto gibt, bei dem er nicht noch 30 Cent im Jahr sparen kann, verschwendet Zeit für wichtigere Fragen: »Bin ich bereit, zu dem Preis zu arbeiten?«, »Wie gewinne ich diesen Kunden?«, »Was bekommt Oma zu Weihnachten?«, »Wie funktioniert das Design am besten?«.

Du bekommst immer zu wenig Informationen

Daran schließt sich die Erkenntnis an, dass wir in den seltensten Fällen alle Informationen vom Kunden bekommen, um ein genaues Angebot schreiben zu können. Je kleiner das Projekt, desto ungenauer kann es in der Regel vorab umrissen werden. Darum gilt möglichst haarklein zu beschreiben, was im Kostenvoranschlag enthalten ist und was nicht. Das ist ein ordentlicher Aufwand, aber gut investierte Zeit.

Freundschaftsdienste

Ein gefährlicher Stolperstein sind Freundschaftsdienste. Damit meine ich weniger eine kleine Hilfestellung für einen guten Freund. Vielmehr geht es um Leute, die man kennt, oder noch besser die jemanden kennen, der einen kennt. In solchen Konstellationen werden immer Sonderkonditionen erwartet.

Die eigene Arbeit ist aber immer genau so viel wert, wie ihr dafür bekommt. Das führt dazu, dass der Respekt vor der Arbeit, die man mal eben für einen günstigen Preis eingeschoben hat, sehr viel geringer ist, als wenn sie »richtig« bezahlt würde.

So ziehen sich diese günstigen Lückenfüller meistens länger als die Projekte, die normal abgerechnet werden. Denn man kann ja problemlos noch mal alles ändern. Kostet ja so gut wie nichts. Ich mache darum inzwischen einen großen Bogen um solche Arbeiten.

Geschäftsvermögen vs. Privatvermögen

Auch wenn die beiden Töpfe bei Einzelkämpfern in der Regel die gleichen sind, kann ich nur dazu raten, sie von Anfang an streng zu trennen. Neben der Übersichtlichkeit trägt dies noch einem anderen Sachverhalt Rechnung. 500 Euro Privatvermögen sind etwas ganz anderes als 500 Euro Geschäftsvermögen. Die gleiche Summe geht als Betriebsausgabe wesentlich leichter über den Ladentisch. Das hat etwas gedauert, bis ich ein Gefühl dafür hatte.

Wer kauft sich schon Software zur privaten Nutzung für mehrere Tausend Euro? Oder gibt einige Hundert Euro für eine Konferenz aus? Wenn die Wahl bleibt, Software für 100 Euro zu kaufen oder drei Stunden nach einer Alternative zu suchen, solltet ihr lieber gleich zuschlagen und die Zeit produktiv nutzen.

Daran muss man sich gewöhnen und es vor allen Dingen auch beim Festlegen des eigenen Stundensatzes berücksichtigen. Ich weiß von anderen Kollegen, dass sie sogar noch weitere Konten anlegen, um direkt bei Zahlungseingang die erwarteten Steuern (Umsatz-, Gewerbesteuer, etc.) aus dem Blickfeld zu schaffen. Das ist sicher Geschmacksache. Wer aber versucht, mit einem Konto privates und geschäftliches Vermögen zu trennen, muss entweder einen größeren Aufwand betreiben, das auseinanderzurechnen, oder wird auf die Nase fallen. Mit zwei Konten ist es für sich selbst und für den Steuerberater deutlich einfacher.

Fachleute sind nur in ihrem Fach vom Fach

Wo wir gerade bei Steuerberatern sind, noch ein weiterer Punkt. Bei allen Arbeiten solltet ihr euch fragen, ob ihr der oder die Richtige für diesen Job seid. Nachdem ich in regelmäßigen Abständen meine Lebenslust über dem ELSTER-Online-Formular verloren habe, übergab ich dies mit Freude an die Steuerberaterin. Es gibt für fast alle unliebsamen Aufgaben da draußen irgendjemanden, der sie gerne übernimmt. Das kostet zwar meistens Geld, ist aber eine gute Investition, wenn man dafür seinen Verstand behält und in der Zeit Geld verdienen kann – oder einfach mal rausgehen.

Das sind nur einige der Lektionen, die ich in den letzten Jahren in der geschäftlichen Webwelt lernen durfte. Was habt ihr auf die harte Tour lernen müssen?

Gemälde: Franz von Stuck, Sisyphus, 1920.

Kommentare

Michael
am 12.12.2010 - 06:44

Ein ganz wichtiger Punkt: Alles was wichtig und geschäftlich ist (mit Kunde oder Lieferant), sollte schriftlich festgehalten sein. Ob per E-Mail, Brief oder Fax.

Wer kennt das Szenario nicht:
Man ist mitten in einem Projekt und telefoniert mit dem Kunden über z.B. das Design der Website. Zu 100% passt es noch nicht und der Kunde gibt einem die Änderungswünsche "mal eben" durch ... ist ja nicht viel.
Nun setzt man dies um - im Angebot war ja vielleicht eine Korrekturphase enthalten - und schickt es wieder an den Kunden, dem leider doch noch etwas aufgefallen ist. Hat man die zuvor besprochenen Änderungen nicht schriftlich kann es jetzt kritisch werden. Gerne gibt es dann Behauptungen wie "Das habe ich Ihnen doch letzte Woche auch im Telefonat genannt ..." etc.
Jetzt hat man die Möglichkeit die neuen Korrekturen trotzdem in Rechnung zu stellen, weil diese im Telefonat nicht besprochen wurden, oder man muss in den sauren Apfel beißen und kostenlos ran. Mit der ersten Möglichkeit wird man mit Sicherheit Probleme mit dem Kunden bekommen.

Vieles lässt sich eben nur durch Telefonate regeln und ist per E-Mail zu kompliziert. Wichtige Gespräche fasse ich aber immer noch einmal per E-Mail zusammen und lasse mir diese schriftlich bestätigen.
Auch wenn der Kunde am Telefon zusätzliche Leistungen wünscht, dann erhält er nach dem Telefonat eine E-Mail, in welchem ich Ihm eine kurze Aufwandsschätzung nenne und darauf aufmerksam mache, dass diese Leistung nicht im Angebotspreis enthalten war.

Nach einer schriftlichen Freigabe kann die Arbeit beginnen.

Permanenter Link

domingos
am 12.12.2010 - 17:54

Das mit dem Steuerberater würde ich voll unterschreiben. Das kriegt man mit ein wenig viel Arbeit auch selber hin, aber: In der Zeit kann man mit Auftragsarbeiten sehr viel mehr Geld verdienen, als man an einem Steuerberater zahlt. Und der Steuerberater kann sicher mehr rausholen als man selbst.

Permanenter Link
Olaf Gleba

Olaf Gleba (Webkraut)
am 13.12.2010 - 00:51

Eine getrennte Kontoführung zwischen Privat und Geschäft ist ein immens wichtiger Punkt, der vermeidet, dass Menschen, die zwar diszipliniert sind, aber trotzdem nur 1 Gehirn und 2 Augen haben, zeitweilig den Überblick verlieren.

Ich habe es bis vor kurzem (leider) lange so gemacht, das ich alles über ein Konto habe laufen lassen und mir mit Kategorisierungsmöglichkeiten der Banksoftware leidlich ausgeholfen habe. Nichts Halbes und nichts Ganzes.

Mittlerweile habe ich drei Konten. Privat, Geschäftlich, Steuer (wohin die Ust., die direkt aus einem geschäftlichen Zahlungseingang resultiert, hin fließt). Gut für den Überblick.

Und ich kann - wie Andreas - jedem empfehlen, möglichst von Anfang an für eine strikte Trennung an zu sorgen. Im Laufe der Jahre vervielfacht sich die Zahl der Institutionen, Behörden und sonstigen Firmen (mit denen ihr geschäftlich verkehrt),- und es ist eine sehr mühevolle und fehleranfällige (ups, DIE habe ich noch vergessen) Arbeit, diese nachträglich über geänderte Bankverbindung zu informieren.

Permanenter Link

Die Kommentare sind geschlossen.